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Ein Stück alter Kirmestradition

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Chris Hermann aus Bruchhausen-Vilsen zeigt in Heinens Boxarena, was er drauf hat.

Bruchhausen-Vilsen (nie) · „Das ist doch der Chris…“, raunt staunend ein älterer Herr vor der Boxhalle auf dem Brokser Heiratsmarkt seiner Begleiterin zu. Die nickt und meint: „Was macht der denn da?“ Die Antwort fast vorwurfsvoll: „Na, der boxt.“

In der Tat: Chris Hermann (23) aus Bruchhausen-Vilsen gehört zu den sechs Faustkämpfern, die Johann Heinen (36) in seiner Box-Arena aufbietet. Nach rund 25 Jahren Abstinenz steht auf dem Heiratsmarkt wieder eine Boxhalle. Eine Bereicherung zwischen modernsten Fahrgeschäften, ein Stück alter Kirmestradition. Es ist die letzte reisende Boxarena Deutschlands.

Impressionen vom Brokser Markt (Teil 1)

Chris Hermann ist mit seinen rund 68 Kilo Kampfgewicht einer aus der leichten Gewichtsklasse. „Ich will Profiboxer werden. Das hier ist für mich gutes Sparring und eine Trainingsmöglichkeit“, verrät er. An der Bahnhofstraße in Bruchhausen-Vilsen trainiert er in einer Halle, ein Ring steht auch dort. „Das ist unsere Boxschule“, erklärt Hermann. In Johann Heinens Arena kämpfen darf er, weil er sich vorstellte und in Sparringsrunden beeindruckte. Einige Kämpfe gegen ihm unbekannte Gegner aus dem Publikum hat er während der bisherigen Markttage schon absolviert – und bisher keinen verloren.

Impressionen vom Brokser Markt (Teil 2)

Maria Heinen-Lemoine, Mutter des Betreibers, weist darauf hin, dass die Familie schon in der sechsten Generation das Box-Geschäft auf Jahrmärkten betreibt. „Wir sind die Letzten aus diesem Kirmesgewerbe, es gibt nur noch uns“, sagt sie. Mit etwas markigen Sprüchen lädt Sohn Johann auf dem Heiratsmarkt eventuelle Herausforderer aus der Region ein, gegen seine Boxer anzutreten. „Keiner muss für‘s Boxen Geld zahlen, im Gegenteil, er kann sich was verdienen“, macht er Mut, räumt gleichzeitig ein, dass er bislang in Bruchhausen-Vilsen noch keinen Euro zahlen musste.

Impressionen vom Brokser Markt (Teil 3)

Er informiert über das Regelwerk, die Kampfzeit (zweimal eine Minute, manchmal darf es auch über mehrere Runden gehen) und macht klar: Wer Alkohol oder Drogen intus hat, darf hier nicht boxen.

Seine Jungs sind drahtige Typen, auch der Schwergewichtler wirkt durchtrainiert. Heinen durchs Mikrofon: „Wenn er böse wird, dann kracht‘s.“ Wer ihn ausknockt, soll 500 Euro einstreichen. Ein junger Mann will gegen einen „Leichten“ in den Ring steigen. „Warum?“, fragt Heinen ihn. „So aus Spaß“, antwortet der Herausforderer. Heinen blockt ab: „Das ist hier kein Spaß. Autoscooter fahren, das ist Spaß.“

„Wir reisen quer durch Europa“, erzählt Johann Heinen. Mehrmals am Tag gibt es in der Arena Veranstaltungen. Gut besucht sein müssen sie schon. Wenn es zu wenig Zuschauer sind, verschiebt der Veranstalter den Kampf um eine halbe Stunde. Dann ist die Boxhalle voller, und mehr Geld kommt in die Kasse.

Spannend geht es im Ring allemal zu. Die Kandidaten aus dem Publikum sind nicht unbedingt immer box-technisch auf Draht, und eine kräftige Statur allein macht es auch nicht. Heinens Kämpfer, unter anderem aus den östlichen Ländern, lassen sich die Butter nicht vom Brot nehmen und dem Chef nicht die „Kohle“ aus der Tasche ziehen. Ganz gleich ob Iwan aus Moskau, Sebastian aus Hannover, Marion aus Paderborn oder „der Breslauer“, sie verstehen ihr Faustwerk und wenn es ihnen mal weh tut, keinen Spaß mehr. Und auch Chris Hermann aus Bruchhausen-Vilsen zeigt, dass er „was drauf“ hat.

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