Moorer Gasthus seit 1975: Eine Institution auf dem Brokser Heiratsmarkt hört auf

Für viele gehörte ein Stopp beim Moorer Gasthus jahrzehntelang zum Brokser Heiratsmarkt dazu. Nach knapp 50 Jahren ist jedoch Schluss. Die ehemaligen Gastronomen Wilfried und Luise Struß berichten über die gemeinsame Zeit auf dem Heiratsmarkt.
Bruchhausen-Vilsen – Über den Markt sind sie praktisch nie flaniert, auch am späten Abend nicht – und das in fast 50 Jahren, die sie dort Tag für Tag verbracht haben. „Wir mussten ja am nächsten Morgen auch noch melken“, erzählt Wilfried Struß. Denn während Luise Struß in erster Linie Gastwirtin war, war ihr Mann vor allem Landwirt. Auch an den fünf besonderen Tagen im August, wenn der Brokser Heiratsmarkt den Alltag bestimmt hat.
Seit 1970 mit dabei gewesen: Das Moorer Gasthus hört auf
Dort war die ganze Familie eine Institution, ein Stopp beim „Moorer“ gehörte für viele Marktgängerinnen und -gänger einfach dazu. Gehörte, denn beim diesjährigen Markt ist das Moorer Gasthus nicht mehr mit seinem weithin bekannten wie beliebten Stand dabei. Aus Alters- und gesundheitlichen Gründen hören Luise und Wilfried Struß auf. „Das war schon eine Überwindung, das fällt schwer“, gibt die 76-Jährige zu. Immerhin waren sie und ihr Mann seit 1970 jedes Jahr auf dem Markt im Einsatz.
Seinen Anfang hatte die Struß’sche Marktpräsenz aber noch viel früher genommen: Hinter dem heutigen Jugendhaus hatten der Vater und Großvater von Wilfried Struß ein Tanzzelt. Später hatte die Familie einen Stand, der über mehrere Jahre lang vergeben war. Bis sich Luise und Wilfried Struß sagten: „Das können wir auch selbst.“

Damals wurde zwischen den Gasthäusern Horstmann und Schröder eine neue Markt-Gasse eröffnet. Wo heute der „Grüne Jäger“ seinen Platz hat, stand dann das „Moorer Gasthus“. „Als wir anfingen, gab es noch kein fließendes Wasser auf dem Markt“, erinnert sich Luise Struß.
Die Getränke hätten sie mit Stangeneis in isolierten Kisten gekühlt. Dann wechselte das „Moorer“ an einen anderen Standort. Mehr als 30 Jahre waren Luise und Wilfried Struß dort erste Anlaufstelle für durstige Marktgäste. „Wir hatten erst eine sechseckige Holzbude mit Seitenklappe und einem Zeltdach obendrüber“, erzählen die beiden. Anfangs hielt die Bahn noch in der Nähe des Standes, „später wurde die Haltestelle dann verlegt. Da konnten wir den Platz noch besser nutzen“, sagt Wilfried Struß. Fand der Markt erst nur sonntags und dienstags statt, kamen nach und nach die Tage Freitag, Samstag und Montag hinzu, erinnern sich Luise und Wilfried Struß.
Im Jahr 1975: Aus Struß Gaststätte wird das Moorer Gasthus
1975 wurde aus „Struß Gaststätte“ das „Moorer Gasthus“. Das Lokal wurde zur Vereinsgaststätte der Handballer – und damit war auch der Stand auf dem Markt die erste Adresse für die Sportlerinnen und Sportler. „Dann fingen unsere Kinder an, uns zu helfen“, sagt Wilfried Struß. „Die Freunde aus unseren Cliquen haben auch mit ausgeschenkt“, berichten die Töchter Karin Dreyer und Ulrike Troue. „Es gab immer feste Gruppen auch von auswärts, die sich bei uns getroffen haben“, erzählen die beiden. Der Stand entwickelte sich weiter, aus der Holzbude wurden Container, die Wilfried Struß mit Holz versah. Luise Struß nähte Gardinen. Und das Team kleidete sich immer einheitlich und erneuerte sein Outfit regelmäßig.

An die rot-weiß karierten Hemden mit Weste und Lederschürze können sich alle Beteiligten noch gut erinnern. Zusammenhalt war Luise und Wilfried Struß besonders wichtig: Zwischendurch bekamen alle Mitarbeiter Essensgeld, außerdem Weggeld, um sich noch etwas nach der Arbeit auf dem Markt leisten zu können.
Moorer Gasthus auf dem Brokser Heiratsmarkt: ein Treffpunkt für alle
„Zu Weihnachten ist Papa immer zu jedem nach Hause gefahren und hat einen Stollen vorbeigebracht“, sagen Ulrike Troue und Karin Dreyer. „Die haben uns immer alle gut zur Stange gehalten“, freut sich Luise Struß über ihr engagiertes Mitarbeiter-Team und erinnert sich an viele nette Markt-Begebenheiten. Zum Beispiel an die alljährlichen Besuche von Fidi Wassermeyer, einem geborenen Moorer, der nach Australien ausgewandert war und jedes Jahr zum Brokser Heiratsmarkt wieder in seine alte Heimat zurückkehrte. Wilfried Struß fällt der Alleinunterhalter ein, der mit der Pauke auf dem Rücken einst auf dem Markt unterwegs war. „Der stand oft bei uns“, sagt er.
Immer wieder überlegte die Familie gemeinsam, was man den Gästen Neues bieten könnte. So wuchs das Getränkeangebot nach und nach und wurde immer umfangreicher. „Ihr seid so flott, freundlich und sauber“: Dieses Lob hätte die Mannschaft oft bekommen, sagen die beiden Schwestern. Drei bis vier Wochen vor dem Markt stieg die Familie in die konkrete Planung ein, kümmerte sich um eine ansprechende Dekoration des Standes oder ein neues Team-Outfit. Das jedoch ist jetzt Geschichte, und der Abschied fällt der Familie schwer. Deswegen fahren Luise und Wilfried Struß über die Markttage in den Urlaub.
Nur am Dienstag, da kommen sie wieder. So ganz ohne Brokser Heiratsmarkt können sie dann doch nicht. „Wir wollen den Markt einmal von der anderen Seite erleben“, sagt der 77-jährige Wilfried Struß. Einkehren an ihrem einstigen Standplatz können sie dann auch: Denn diesen übernimmt ab sofort die Brokser Familie Lamke.